Home Office: Chance statt Pflicht

Wie Corona unsere Standorte in einem Tag vervielfacht hat und warum das gut für unsere Zukunft ist.

Teil #1: Team und Zusammenarbeit

Die vollständig aufgesetzte Infrastruktur stand, der schnell improvisierte Schreibtisch aus Longboard und Pappe auch.

ui/deation ist eine Digitalagentur mit Standorten in München und Köln. Unser Team ist seit unserer Gründung 2012 remote aufgestellt. Auch, weil wir in heißen Projektphasen regelmäßig vor Ort bei unseren Kunden arbeiten.

Mit Beginn der Corona-Pandemie standen auch wir vor den typischen Umstellungen, die alle Unternehmen meistern mussten. Die erste Maßnahme war, dass wir unser gesamtes Team innerhalb eines Tages ins Home Office schickten, um ihre Gesundheit zu schützen. Dank unserer alltäglichen digitalen Arbeit und der nahezu vollständig online aufgesetzten Infrastruktur war dieser Schritt zum Glück schnell umgesetzt. Ab diesem Moment fand die tägliche Arbeit für uns nicht mehr in unseren zwei Offices, sondern den jeweiligen privaten Räumen unserer Mitarbeiter*innen statt.

In den folgenden Monaten stellten wir fest, dass dieser Modus für uns auch in Zeiten ohne akuten Lockdown sehr gut funktionierte. Auch unsere Kunden schienen mit der Remote-Zusammenarbeit grundsätzlich sehr zufrieden zu sein. Nicht alle Kunden waren sofort vollständig remote einsatzfähig, aber nach der Überwindung der ersten Barrieren und dem Etablieren einer gewissen “Basis-Kultur” wurde die Remote-Kooperation für gut und effektiv empfunden. Durch die klaren organisatorischen Strukturen, die mit der verteilten Arbeit einhergingen, wurde diese Art der Zusammenarbeit oft sogar effizienter als die “klassischen” Präsenz-Termine empfunden.

Brauchen wir überhaupt noch feste Büroräume?

Zunehmend kam in unserem Team die Frage auf: Brauchen wir überhaupt noch feste Büroräume? Wenn ja, wofür? Und wenn nein, was müssen wir für die neue Form eines verteilten Teams noch lernen und optimieren?

Spoiler: Wir tendieren zum Nein. Unser Team profitiert faktisch von der neuen Flexibilität, einer besseren Integration von Privat-, Familien- und Berufsleben, den Zeitersparnissen durch den Wegfall von Reisezeiten. Die Chancen und Vorteile überwiegen, wenn sich das Team autonom und unabhängig von den “Pflichten” und Vorgaben des klassischen Büroalltags bewegen kann. Auch für die Firma bedeutet das, sich über unsere zwei Standorte hinaus flexibler für Kooperationen und Teammitglieder öffnen zu können. Mehr dazu aber in Teil #2 unseres Artikels, der bald folgen wird.

Für uns war nun der erste Schritt, die kulturellen Lücken zu schließen, die sich durch den Wechsel in die Virtualisierung ergaben. In einem zweiten Schritt würden wir dann die zukünftigen Raumkonzepte ableiten, die die neue Arbeits- und Teamkultur unterstützen werden. Wo sahen wir also die Probleme, die wir zuerst lösen sollten? Die maßgeblichen Herausforderungen für uns waren:

  • Wie erhalten wir die Bandbreite der Kommunikation, wie sie gemeinsam in einem Büro stattfindet?

  • Wie erhalten wir das “Ohr am Gleis”, um zu sehen, wie sich das Team fühlt, wo es Probleme gibt, was gut funktioniert?

  • Wie erhalten wir eine Feedback-Kultur, ohne dass Distanz zur Barriere wird?

  • Wie verzahnen wir den Alltag mit Lockdown, Quarantäne, Homeschooling mit der Kundenarbeit?

  • Wie schaffen wir es, dass unser Team, unsere Kunden und Dienstleister möglichst schnell technisch, operativ und kulturell auf Augenhöhe zusammenarbeiten können?

  • Wie erhalten wir das Team-Gefühl, wenn wir nicht das Büro teilen?

  • Wie erhalten wir den Zufall, die freien Räume für Ungeplantes, mit denen oft aus “losen Enden” etwas Neues entsteht, wenn man Raum und Zeit miteinander teilt?

Unsere existierende Teamkultur

Wir hatten bereits vor Corona schon verschiedene Events und Rituale, um die Team- und Arbeitskultur zu fördern:

  • Montags starteten wir die Woche mit einem “Monday Brunch“, bei dem wir vor Ort zusammen frühstückten und über München und Köln hinweg die anstehende Woche besprachen.

  • Mittwochs gab es eine gekürzte Version davon, um den Stand der Projektarbeiten auszutauschen.

  • Jeden zweiten Dienstag hatten wir ein “Show and Tell“, bei dem ein Teammitglied oder ein externer Experte ein Fachthema oder Projekterfahrungen vorstellte, von dem das ganze Team profitierte und lernen konnte.

  • Erwähnenswert ist noch der Versuch, den “Watercooler Talk” über Köln und München hinweg zu virtualisieren, in dem zwei Smart Displays für Video Calls bei den Kaffeemaschinen aufgebaut wurden — letztlich wurden sie zu Musik-Playern für die Hintergrundmusik in den Büroräumen. Die Idee war sehr gut, aber die Umsetzung eher mangelhaft.

Wenn auch nicht vorgeschrieben, erfolgte die Teilnahme an den genannten Team-Terminen an einem der beiden Standorte, während beide Standorte per Video-Call zusammengeschaltet waren. Ein paar Ausnahmen gab es, wie z.B. die Teilnahme vom Kunden aus oder wenn einzelne Teammitglieder aus privaten Gründen von zu Hause aus mit machten.

Diese festen Rituale gaben uns gleich zu Anfang des Home Offices einen guten Startpunkt für eine neue, gemeinsame Remote-Teamkultur sowie eine erste Struktur für einen regelmäßigen Kontakt. Jetzt stand zum einen noch eine Optimierung dieser Rituale an. Aber viel wichtiger war es, auch wieder den freien Raum zu schaffen.

Unsere neue Teamkultur: Experimente, Fails und Learnings

Experiment, Fail und Learning. Danke an die simple GmbH für das Foto.

Daher gab es zu Beginn des Lockdowns noch weitere Experimente, wie z. Bsp. ein freiwilliges Remote-Team Lunch, das in der ersten Zeit der allgemeinen Unsicherheiten der Corona-Pandemie für alle wichtig war, sich jedoch über Zeit mit fortschreitender Gewöhnung allmählich ausschlich. Das lag sicher auch daran, dass ein unmoderiertes Gespräch mit vielen Teilnehmern eher schwierig ist. Auch das interne Daily Standup wurde schnell verworfen, weil es zeitlich immer wieder mit den Standups der Kundenprojekte kollidierte, thematisch zu viele Überschneidungen mit diesen hatte und sich letztlich als nicht weiter bereichernd herausstellte. In dieser frühen Phase wurden viele Formate ausprobiert, bewertet, verworfen oder modifiziert.

Wo stehen wir jetzt? Die erfolgreichen neuen Rituale sind im Folgenden aufgelistet. Interessant ist, dass der überwiegende Teil freie Räume schafft, also nicht der reinen Optimierung der Arbeit dient, sondern vielmehr Team-Kommunikation und freie Laufumgebungen erzeugt:

  • Digitale Teamtage mit zwei Workshops und Abend-Event.

  • Remote-Kochen, moderiert von einem Teammitglied. Wir haben dazu die Zutaten im Voraus an die Teammitglieder verschickt und die Rezepte online abgelegt.

  • Daily Check-in und Check-out via Slack: Eine schlanke Alternative zum Daily Stand-up, bei dem alle ihre für diesen Tag anstehenden Aufgaben auflisten und ggf. Rückfragen an andere Teammitglieder stellen können.

  • Remote-Yoga, angeleitet von unserem Teammitglied Franzi. Jeden Dienstag, inklusive Entspannungsübungen.

  • Ein regelmäßiges Mystery Business Lunch, bei dem sich jeweils zwei unserer Mitarbeiter*innen per Zufall für 30 Minuten zu einem Remote-Mittagessen treffen.

  • Donnerstags-Drinks: Ein monatliches, freiwilliges Treffen per Videokonferenz nach Dienstschluss, ohne Programm, aber mit Getränken und Snacks. Abendprogramme können sehr gut ergänzt werden durch moderierte Teamspiele. Eine beliebte Variante ist beispielsweise, die Urheber von unkonventionellen Zitaten aus dem Team-Alltag zu raten, die während der Zusammenarbeit gefallen sind.

  • Eine Outdoor Gruppe, bei der wir uns gegenseitig z.Bsp. per Strava Routen für Spaziergänge, Jogging, Telefonate on-the-go, etc. vorschlagen.

  • Regelmäßige Team-Check-ins in Form von kurzen Remote-Workshops mit Retrospektiven, Impulsen und Umfragen geben einen guten Überblick über Meinungen, Wünsche, Probleme und das Gesamtbefinden des Teams. Meist finden sich freiwillige Moderator*innen.

  • Ein anonymes Feedback-Board, das regelmäßig ausgewertet wird, um einen geschützten Raum für alle Themen zu bieten, die nicht mit Mitarbeiter*innen in Verbindung gebracht werden sollen.

Was nun?

Im bald folgenden Teil #2 der Artikelreihe stellen wir neue Raumkonzepte und deren Infrastrukturen für die Arbeit im hybriden Mix aus Remote- und Realwelt vor. Mit 2021 werden wir nämlich unsere Raumkonzepte vollständig ändern, sodass sie die neue Arbeits- und Teamkultur bestmöglich unterstützen. Wir werden die Raumkonzepte flexibel um die Mitarbeiter*innen und ihre Bedürfnisse bauen und das bisherige Konzept der zentralen Arbeitsräume verlassen. Gleichermaßen wollen wir nach Corona wieder das persönliche Treffen ermöglichen: Zum einen zur Kollaboration, aber auch zum zwischenmenschlichen Austausch und für das Teambuilding. Damit werden unsere traditionellen Teamtage in den Alpen wieder ein Teil dieses neuen, offen gedachten Raumkonzepts sein. Trotz des fundamentalen Wandels unserer Standorte schauen wir deshalb auch mit großer Neugierde und Vorfreude auf unsere zukünftige Arbeitsweise bei ui/deation, die sich als Chance und Qualität herausstellt.

Wie sind eure Erfahrungen mit der Remote-Arbeit und dem Home Office? Wie haltet ihr die Kommunikation und das Team-Building aufrecht? Welche neuen Raumkonzepte seht ihr in der Zukunft? Habt ihr Fragen? Schreibt uns gerne einen Kommentar oder eine E-Mail, wir freuen uns über Austausch, neue Einblicke und erkenntnisreiche Diversität.

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